True Talk - Glitzer und Schattenseiten eines kleinen Labels

by Zippora Marti |

Sich selbstständig zu machen, etwas Neues zu wagen, wird oft bewundert. Meiner Meinung nach: komplett zurecht. Vielleicht sprechen auch deshalb so wenige Menschen ehrlich über die Schattenseiten – darüber, was es eben auch bedeuten kann, ein eigenes Label zu haben. Meine Arbeit bei und mit thoughts of september bringt eine Art Prestige mit sich, und für Gründer*innen ist es natürlich verlockend, sich auf diesem "Prestige" abzustützen, vor allem, wenn alles andere ins Wanken gerät.

Aber ich will mich nicht länger darauf abstützen. Ich will ehrlich zu euch sein, weiterhin über all das sprechen, was gut läuft, mir Tag für Tag Freude bereitet und mein Herz erfüllt, aber ohne dabei unsere und meine persönlichen Kämpfe zu verschweigen. Darum: hier ganz viel "True Talk":

Wie wohl jede selbstständige Person von sich behaupten kann, fordert thoughts of september sehr viel von mir. Seit fast sechs Jahren ist dieses Label wie ein Baby für mich. Seit der Gründung arbeite ich ungefähr 48 Wochen im Jahr, oft sechs Tage die Woche und nicht selten 12 Stunden am Tag. Selbst im Urlaub sind es dann noch zwei Stunden pro Tag. Seit drei Jahren zahlt thoughts of september mir ein Gehalt, mit dem ich mir mein Leben nur leisten kann, weil ich dieses mit einem Menschen teile, der den Großteil unserer Kosten trägt. In den ersten zwei Jahren habe ich mein Geld mit einem Servicejob verdient. Noch immer funktioniert unsere kleine Marke nur dank sehr viel freiwilligem Engagement.

Ja, es ist Leidenschaft, und jede meiner Minuten ist es wert, in thoughts of september investiert zu werden, vor allem, wenn ich dann dein Feedback lese, in deine strahlenden Augen blicke, wenn du endlich passende Lingerie gefunden hast. Wenn ich höre, wie unsere Lingerie dir hilft, dich selbst ein bisschen mehr zu akzeptieren und vielleicht sogar Frieden mit deinem Körper zu schließen. Das ist einfach unglaublich schön. Und es ist genau das Leben, das ich mir für mich wünsche – mit all dem Schönen, all dem, was glitzert und glänzt, aber eben auch mit allen Schattenseiten.

Vieles ist von außen nicht so leicht zu erkennen. Erst kürzlich hat mich ein Freund gefragt: "Bist du jemals gestresst? Du siehst immer so entspannt aus, ich kann mir nicht vorstellen, dass dich irgendetwas aus der Ruhe bringt ..." – wenn er wüsste! Ich bin sehr oft angespannt, habe Angst um thoughts of september: Wie wird es nächsten Monat aussehen? Können wir unsere Rechnungen und die Löhne zahlen? Wird dir und unserer Community dieses oder jenes gefallen? Habe ich mich nicht doch verrechnet?

Das letzte Jahr war unglaublich schön. Wir haben unser Team erweitert. Ich war optimistisch, glücklich, vielleicht sogar euphorisch. Es lief alles so gut. Wir als Team, unsere Gespräche, die Zusammenarbeit, unser Lachen – es war richtig schön. Im November hatte ich meinen Unfall, als ich tatsächlich beim Training kopfüber von der Pole-Dance-Stange gefallen bin ... Von da an konnte ich mich viele Wochen kaum im Studio beteiligen. Ich habe zugeschnitten, aber vier Monate lang kein einziges Stück genäht. Trotzdem haben wir es zusammen irgendwie geschafft. Ich fühlte mich mutig und stark, dachte, wir hätten es geschafft. Die Monate zogen ins Land, es wurde Winter, Frühling, wir haben groß unser Jubiläum gefeiert und dann kam der Sommer. Der Juli 2024 hat uns hinterlistig den Boden unter den Füßen weggezogen. Wir hatten in den vorherigen Monaten zwar genug verkauft, aber die Rechnungen waren einfach höher: Stoffe, Miete, Produktion, Versicherung, Steuern ... Wir haben geweint, die Köpfe zusammengesteckt und irgendwie nach Lösungen gesucht: weniger Launches, weniger Farben und in der Produktion von 200 auf 140 Stellenprozente reduziert. Das tat weh. Wir haben durchgeatmet, weitergemacht und dachten: "Jetzt haben wir's geschafft!"

  

Es Sommer wurde Herbst, und jetzt steht der Winter vor der Tür. Wir essen Kürbis und Maroni, bestaunen die Wälder und ziehen die kühle Luft tief in unsere Lungen. Doch leider weigern sich unsere Wolken, sich zu verziehen.

Die wirtschaftliche Lage verschärft sich, die Menschen sind weniger bereit, Geld für lokale, nachhaltige und langlebige Produkte auszugeben. Oder vielleicht fällt es uns schwerer, diese Menschen zu finden. Wir halten gerade die Luft an. Möge die Zeit für uns ganz kurz stillstehen. Möge ein Tag mal eine Woche dauern, damit wir schlafen und nachdenken können. Aber das wird nicht passieren. Die Uhr, das Jahr – sie beide drehen sich weiter.

Und ich weiß: Nicht nur uns geht es so. Ein befreundetes Label stellt Ende 2024 die Arbeit ein. Von vielen Shops hören wir, dass die Zeiten nach Corona für sie nicht wieder einfach und sorglos geworden sind. Das ist so traurig zu hören. So traurig, dass ich nicht darüber schweigen, sondern ganz offen und ehrlich meine eigenen Erfahrungen mit euch teilen will. Danke fürs Zuhören! Danke fürs Teilen und danke, dass du gerade in dieser Weihnachtszeit kleine und lokale Labels unterstützt! Kauf bewusst, langsam und überlegt.

 

Bald teilen wir einen Blogpost mit Ideen, wie du auch kostenlos und ohne viel Zeitaufwand kleine Brands unterstützen kannst, und wir haben ein Versprechen für dich:

 

Wir versprechen dir...

... wenn du bei uns kleinen Marken einkaufst, machst du für uns einen großen Unterschied! Den Giganten in der Innenstadt ist es egal, ob du bei ihnen einkaufst oder nicht – es spielt für sie keine Rolle. Für kleine Labels tut es das aber. Und im Gegenzug machen wir den Unterschied für dich: Wir erinnern uns an dich. Wir kennen deine Größe. Wir beraten dich mit Geduld und Einfühlungsvermögen. Wir reparieren deine Kleidungsstücke, die du bei uns gekauft hast, kostenlos. Wir machen bei jeder Bestellung einen Freudentanz und sind einfach unglaublich glücklich und dankbar, dich in unserer Community zu wissen.

Danke dafür.

XOXO - Zippora

Wir benutzen 🍪 Cookies für eine bessere Shopping Experience!